Wärme
Transformation des Grafinger Wärmenetzes
29. Februar 2024
Simon Rothmoser (Geschäftsführer) gibt einen Einblick in die kommunale Wärmeplanung und deren Bedeutung für die Rothmoser GmbH & Co. KG als Netzbetreiber des Fernwärmenetzes in der Stadt Grafing. Gemeinsam sprechen wir über Grundlegendes zum neuen Gesetz, Herausforderungen bei der Umsetzung und konkreten Maßnahmen für die Zukunft der Wärmeversorgung im Stadtgebiet.
Darum geht es:
- Kommunale Wärmeplanung
- Transformationsplan Rothmoser Fernwärmenetz
- Herausforderung Wärmentz-Transformation
„Wärmeplanungsgesetzt“ und „ Kommunale Wärmeplanung“ sind ja neben dem Gebäudeenergiegesetz die Buzzwords in Nachrichten, Zeitungen und Co. wenn es um die Wärmeversorgung in Deutschland geht. Kannst du uns erklären was es damit auf sich hat Simon?
Mit dem Wärmeplanungsgesetz werden die Kommunen dazu verpflichtet für ihr Gemeindegebiet eine Wärmeplanung durchzuführen. Die Kommunen müssen sich überlegen, wie jedes Gebäude, sei es öffentlich, gewerblich oder privat, bis 2045 regenerativ geheizt werden kann. Es wird sozusagen zu einer Aufgabe der allgemeinen Daseinsvorsorge gemacht, wie zum Beispiel schon bei der Frischwasserversorgung.
Bis wann muss so ein Wärmeplan durch die Kommunen erstellt werden?
Die Kommunen, haben unterschiedlich lange Zeit dafür. Gemeindegebiete deren Einwohnerzahl unter 100.000 liegt, müssen einen solchen Plan bis zum 30. Juni 2028 erstellen. Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern bereits bis zum 30. Juni 2026.
Wie sieht so eine Wärmeplanung dann konkret aus?
Beginnen tut alles mit einer Bestandsanalyse. Die Kommune legt eine Art Kataster an, in dem Einzelheiten über den Gebäudebestand im Gemeindegebiet erfasst sind. Dazu zählt unter anderem, die Gebäudetypen, das Baualter und wie hoch der jeweilige Wärmeverbrauch ist. Darauf basierend kann dann eine Karte erstellt werden, die grafisch aufzeigt, welche Energieträger in den jeweiligen Bereichen der Gemeinde möglich und sinnvoll sind, um die Gebäude regenerativ zu heizen. Möglichkeiten gibt es da einige, zum Beispiel Luft- oder Grundwasserwärmepumpen, Pellets und im innerstädtischen Gebiet ein öffentliches Wärmenetz.
Die Kommunale Wärmeplanung dient den Bürgern und Bürgerinnen, eigentlich als Informationsquelle wie ein Wärmekonzept für ihr Gebäude in Zukunft aussehen wird. Sie erhalten zum Beispiel die Gewissheit darüber, ob ihr Haus im Bereich eines öffentlichen Wärmenetzes liegt und darüber versorgt werden kann, sobald ihre bisherige Heizung kaputt gehen sollte, oder ob eine individuelle Wärmelösung, wie eine Wärmepumpe, zum Einsatz kommen muss.
Wie geht es dann weiter?
Die Kommune betrachtet in der Wärmeplanung welche Bereiche der Gemeinde eine hohe Wärmeabnahmedichte haben, also dicht genug bebaut sind und genug Wärmebedarf haben, sodass sich ein Wärmenetz lohnt. Stehen diese Gebiete fest, gibt es zwei unterschiedliche Vorgehensweisen: 1. Es gibt noch kein Wärmenetz in der Gemeinde, dann wird eine Machbarkeitsstudie beauftragt und geplant, welche Art von Fernwärmenetz errichtet wird, wo die Standorte für die Kraftwerke sein könnten und welche Energieträger zum Einsatz kommen. Das ist natürlich von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich. Die 2. Variante trifft auf Grafing zu – Gemeinden die bereits ein Wärmenetz haben. Hier sind wir ja mit unserem Familienunternehmen der Netzbetreiber. In diesem Fall spricht man von einer „Transformationsstudie“. Es geht darin also darum, wie man das bestehende Netz transformiert – sei es in Punkto Einsatzstoffe, Wachstum des Netzes et cetera.
Das ist genau der Punkt an dem wir gerade stehen. Wir machen uns momentan Gedanken darüber, wie stark unser Fernwärmenetz noch wachsen kann, welche Grafinger Stadtgebiete sinnvoll erschlossen werden können und wie man zum Beispiel noch mehr fossile Energie durch regenerative Einsatzstoffe ersetzten kann.
Jetzt ist es aber ja so, dass die Stadt Grafing noch nicht mit dieser Wärmeplanung begonnen hat, woran orientiert sich Rothmoser dann für die Netzplanung?
Da wir als Fernwärmenetzbetreiber gesetzlich dazu verpflichtet sind, bis 2045 zu dekarbonisieren, also unser Fernwärmenetz komplett erneuerbar zu betreiben, haben wir ziemlichen Zeitdruck und starten daher schon mit unserem eigenen Transformationsplan. Dieser wird auch für die Beantragung von Fördermitteln aus dem BEW (Bundesförderprogramm effiziente Wärmenetze) benötigt.
Wir greifen eigentlich einem Teil der Arbeiter der kommunalen Wärmeplanung voraus, in dem wir die Abnahmedichte und möglichen zukünftigen Bedarf an Wärme analysieren und planen welche Kraftwerksanlagen diesen Bedarf zuverlässig und nachhaltig decken können. Die Kommune ist dann für die Wärmeplanung in den Bereichen der Gemeinde verantwortlich, die nicht durch das Wärmenetz abgedeckt sind.
Welche Herausforderungen bringt diese Transformationsplanung mit sich?
Also zum einen ist es so, dass wir planen unser Netz in Zukunft noch stärker wachsen zu lassen, um so Gebäude anzuschließen die momentan noch nicht mit Fernwärme versorgt sind. Damit ist natürlich ein gewisses Risiko verbunden. Wir wissen ja nicht ob alle Haushalte die dann die Möglichkeit hätten, einen Fernwärmeanschluss zu beauftragen, dies auch wirklich tun. Man wünscht sich natürlich eine Vollerschließung und das ist auch der Status mit dem wir planen müssen um eine lückenlose Versorgung zu versichern, aber eine Garantie, dass alle Bürger und Bürgerinnen sich dafür entscheiden, gibt es natürlich nicht. Im schlimmsten Fall bleibt man dann auf Wärme und sehr hohen Kosten sitzen, das ist natürlich ein ziemlicher Hemmer wenn es darum geht die Investition zu wagen.
Das klingt nach ziemlich viel zu tun!
Ja auf jeden Fall! Neben all der Planung und der Umsetzung der Maßnahmen, bleibt die größte Herausforderung aber die Finanzierung dieser Netz-Dekabonisierung. Neben dem Ausbau des Netzes, darf auch die Instandhaltung und Erneuerung des bestehenden Netzes nicht vernachlässigt werden, das einfach nicht mehr ausreichend für den stark gewachsenen Bedarf ist. Es müssen Rohre ausgetauscht, Heizzentralen und Verteiler ersetzt und neue Energiequellen erschlossen werden.
Von Investitionen in welcher Höhe sprechen wir hier?
Es wird wohl ein hoher, zweistelliger Millionenbetrag zusammen kommen, der in den Ausbau und die Verstärkung des Netz investiert werden müssen. Die zukünftigen Kosten für die Neuerstellung von Erzeugungsanlagen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Die Frage ist hierbei ganz klar: Wo soll das Geld herkommen?
Fraglich ist, ob für solche Vorhaben klassische Finanzierungsmodelle wie ein Kredit eines Geldinstituts noch möglich sind, denn dort werden Sicherheiten verlangt. Zum jetzigen Zeitpunkt werden diese Sicherheiten von vielen Banken nur in Form von Grundstücke und deren Bebauung akzeptiert, aber nicht die Infrastruktur als solches. Das ist ein Problem, denn die Netzbetreiber haben nicht den Gegenwert der Investitionen an Immobilien in der Hinterhand. Es ist also wichtig, dass auch Banken ihre Denkweise ändern und ein Netz das die Grundversorge von Bürgern und Bürgerinnen garantiert, als Sicherheit ansehen.
Welche Arten der Finanzierung wären noch denkbar?
Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung wäre natürlich die Suche nach Investoren. So wird sich die Beteiligung der Kommune am jeweiligen Fernwärmenetz in Anbetracht der Investitionshöhe wohl nicht vermeiden lassen. Das Wärmeplanungsgesetzt sieht die Wärmeversorgung in Zukunft als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge der Kommunen, vergleichbar mit der Wasserversorgung – das würde natürlich dafür sprechen, dass man sich dann auch an den Investitionen beteiligt. Auch eine zusätzliche Bürgerbeteiligung wäre durchaus denkbar.
Wie ausgereift ist euer Transformationsplan bereits? Wann wird er veröffentlicht?
Was wir bisher gemacht haben ist, einen digitalen Zwilling unseres Bestandsnetzes zu erstellen. Die Bestandsanalyse umfasst alle Gebäude, mögliche zukünftige Ausbaugebiete und deren geschätzter Verbrauch. Den digitalen Zwilling lässt man dann „wachsen“ und legt fest, in welchen Bereichen das Netz zum Beispiel verstärkt, ausgebaut oder erschlossen werden muss. Darauf aufbauend haben wir den für unsere Anforderungen und die örtlichen Voraussetzungen passenden Erzeugungspark konzipiert.
Geothermie konnten wir leider sehr schnell ausschließen, hierfür haben wir einfach nicht die richtigen geologischen Gegebenheiten und die Abnahmemenge ist in Grafing zu gering für die sehr hohen Investitionskosten. Wir werden auf eine Mischung aus Biogas, Holz, oberflächennaher Geothermie (Grundwasserwärmepumpen) und Solarthermie setzten. Wo die Kraftwerksstandorte sein werden, muss noch eruiert werden.
Der letzte Schritt wird dann die konkrete Baumaßnahme sein. Hier werden wir nicht alle Kraftwerke gleichzeitig, sondern nach und nach verwirklichen können.
Bis wann plant ihr die Fertigstellung und Veröffentlichung eures Transformationsplans?
Für den Frühjahr 2024 haben wir eine konkrete Infoveranstaltung angedacht, in der wir die Pläne für den Netzausbau präsentieren werden und mögliche Fernwärmeinteressenten darüber informieren werden, ob ein Fernwärmeanschluss in ihrem Bereich von Grafing möglich sein wird. So haben die Bürger und Bürgerinnen die größtmögliche Planungssicherheit.
Gut zu wissen: Sobald der Termin für die Infoveranstaltung zur Wärmenetz Transformation feststeht werden wir darüber auf unserer Website, Social Media und per Newsletter informieren.